Die Kirche St. Ägidius in Oberwittighausen

Der Beginn

Dem Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenklau sei Dank: Ohne ihn gäbe es wohl kein oder zumindest kein so schönes Gotteshaus, wie die Filialkirche St. Ägidius es heute ist. Anfang des 18. Jahrhunderts veranlasste und finanzierte der damalige Würzburger Fürstbischof nämlich den Bau derselbigen Kirche.

Eigentlich hätte zur damaligen Zeit die Gemeinde recht tief in den Säckel greifen müssen, um einen so gewaltigen Bau zu stemmen, natürlich mit Hilfe der Ortsherrschaften, der so genannten Dezimatoren oder Zehntherren. Die Vorgängerkirche war längst baufällig und ein Neubau gestaltete sich schon allein wegen der damals zersplitterten und verworrenen Herrschaftsrechte recht schwierig. Dem Drängen eines gebürtigen Oberwittighäuser Artilleriehauptmanns, Andreas Müller, ist es schließlich zu verdanken, dass der Fürstbischof  den größten Teil der veranschlagten Baukosten von 2586 Reichstalern aus seiner Privatschatulle locker machte und so den Bau der Oberwittighäuser Kirche in die Wege leitete.

Mit der Planung und Ausführung wurde im Jahr 1717 der Würzburger Architekt und Hofbaumeister Joseph Greissing beauftragt. Als Vorgänger des berühmten Balthasar Neumann hatte Greissing bereits viele kirchliche und weltliche Bauten im unterfränkischen Umland geplant, unter anderem die Peterskirche und den Rückermainhof in Würzburg sowie das Schloss Burgpreppach (Haßberge). Etwa um 1720 wurde der Bau in Oberwittighausen fertiggestellt.

Andreas Müller, der sich maßgeblich für den Bau der Kirche eingesetzt hatte, war in Würzburg als „Ingenieurhauptmann“ angestellt. Er war wohl weniger Architekt als Feldmesser und Artilleriehauptmann und kannte sich laut Literatur mehr mit dem Ausheben von Schützengräben und dem Bau von Wällen aus, als mit der Architektur im klassischen Sinne. Dennoch ist es seinem Betreiben zu verdanken, dass die Kirche geplant, finanziert und gebaut wurde.

Bedeutung der Glocken

Im Glockenturm hängen vier Glocken. Täglich um 11 Uhr wird die Glocke mit dem Ton h‘ geläutet. Sie ist dem Kirchenpatron Ägidius geweiht und wurde 1950 von der einheimischen Familie Michael Kuhn gestiftet. Um 12 Uhr läutet die Glocke mit dem Ton a‘. Sie ist dem Herzen Marias geweiht und ebenfalls 1950 gegossen worden.

Die kleinste Glocke, 1872 gefertigt, hat den Ton d‘‘ und ist dem Heiligen Josef geweiht. Die Stiftungskommission unter Pfarrer Johann Martin Holler sorgte für die damalige Finanzierung.

Bei Todesfällen im Ort wird die größte Glocke mit dem Ton fis‘ geläutet und deshalb auch „Totenglocke“ genannt. Sie ist dem Heiligen Michael geweiht und stammt, wie auch die zwei anderen 1950 gegossenen Glocken, aus der Werkstatt des Glockengießers Karl Czudnochowski in Erding bei München.

Eine neue Orgel zur Jahrtausendwende

Eine 1887 eingebaute Orgel hatte schon zwei Jahre später ihren Geist aufgegeben. Wahrscheinlich war das Instrument bereits gebraucht und nicht mehr auf dem neuesten Stand, als es eingebaut wurde. Als Konsequenz erhielten die Oberwittighäuser Gläubigen 1905 eine neue Orgel der Hardheimer Firma Bader. Knapp 100 Jahre später hatte sich darin der Holzwurm breit gemacht, und es gab Überlegungen, das Instrument zu renovieren. Weil dies zu kostspielig geworden wäre, entschied man sich für eine Neuanschaffung zur Jahrtausendwende. Die Orgel in St. Ägidius ist damit die neueste und wohl schönste in der Gemeinde und wurde 1999 von der im norddeutschen Sattenfelde ansässigen Orgelbaufirma Michael Becker gefertigt.

Der Spieltisch der neuen Orgel verfügt über zwei Manuale, bestehend aus einem Haupt- und Echo- sowie einem Pedalwerk.
Zwölf klingende Register geben der Orgel einen strahlenden Glanz. Insgesamt 844 Pfeifen aus Holz und Metall (Zinn und Blei) sind in der Orgel zu finden. Die größte Pfeife misst 2,40 Meter, die kleinste nur 8 Millimeter.

In der Orgel sind verschiedene Holzarten verarbeitet: Gehäuse und Windladen wurden aus Eichenholz gefertigt, die Bälge und Windleitungen aus Fichte sowie die Pfeifenhalterungen aus Erle. Das Notenpult ist in dunklem französischem Nussbaum gehalten und die Registerknöpfe aus schwarzem Erlenholz. Die Schnitzereien erledigte die Firma Michael Steigerwald-Gsell aus Haslach im Schwarzwald. Im April 2000 fand die feierliche Orgelweihe in der Pfarrkirche statt.

Renovierungen der letzten 100 Jahre

Mehrmals wurde die Ägidiuskirche renoviert, einmal im Jahr 1905, als die Außenfassade einen neuen Anstrich bekam, und 1913, als die Wände im Inneren getüncht wurden. 1903 erhielt Oberwittighausen eine Turmuhr. Zuletzt fand 1986 bis 1988 unter dem damaligen Pfarrer Benno Emmert eine umfassende Renovierung statt. Die Fassade bekam einen freundlichen Anstrich, die 1957 abgehängten Kreuzwegbilder wurden frisch restauriert wieder aufgehängt. Bei den Arbeiten stießen die Maler auch auf ein aufgemaltes Kirchenfenster oberhalb des Eingangs zur Sakristei. Die Gottesdienste fanden während der Renovierungsphase im Turnsaal der ehemaligen Schule oberhalb der Kirche statt.

Anfang der 1990er Jahre schuf der Bildhauer Ernst Singer einen neuen Zelebrationsaltar, der von der in Oberwittighausen ansässigen Steinmetzfirma Pfitzner im September 1994 im Tausch gegen den alten Holzaltar aufgestellt wurde.

Vom Barock zum Rokoko

Die Kirche ist im Stil der einfacheren Landkirchen gehalten. Auf einer Anhöhe erbaut, wirkt sie trotz ihrer schlichten Schauseite wohlproportioniert und ist schon von Weitem zu sehen. Das Gotteshaus hat einen querrechteckigen Grundriss und ist ein Putzbau mit einer mit Werksteindetails ausgeführten Einturmfassade.

Viel Neues hat Baumeister Greissing in Oberwittighausen nicht erfunden, vielmehr griff er auf bestehende Elemente seiner bisherigen Bauten zurück. Dazu gehören die geohrten Fenstergewände mit ihren Keilsteinen wie auch das Gewände am Hauptportal. Diese Elemente hatten bereits in Vorgängerbauten in der Schlosskirche Friesenhausen und im Würzburger Jesuitenkolleg Verwendung gefunden. Allein die neue Kombination der architektonischen Mittel macht den Kirchenbau in Oberwittighausen wieder einzigartig. Der Übergang vom Barock zum leicht beschwingten Rokoko macht sich in der Kirche in der schlanken Form und den abgerundeten Gebäudekanten am Kirchturm bemerkbar.

Im Inneren der Kirche flankieren 13 Apostelkreuze (12 und Paulus als Völkerapostel) die Wände. Der Tabernakel stammt aus dem Jahr 1893. Die Kommunionbank fertigte 1886 die Kunstschmiede Karl Schweikert aus Pforzheim an. Haupt- und Seitenaltäre sowie die Kanzel kamen um 1722 aus der Würzburger Neumünsterkirche nach Oberwittighausen. Der Hauptaltar war bis zur Innenrenovierung 1986 mit einem Bild der Maria Immakulata versehen. Es stammt aus dem Jahr 1895 und ist ein Werk des Künstlers Franz Wallitschek. Im Zuge der Renovierung 1986 bis 1988 bekam der Hochaltar ein neues Bild, das Maria als immerwährende Hilfe der Christenheit zeigt.

Auf dem linken Seitenaltar ist die Heilige Barbara (siehe auch das Wittighäuser Heft über die Vierzehn Heiligen) mit ihren Insignien Turm und Zweig zu sehen. Unter der Heiligen ist in gotischer Schrift das Entstehungsjahr 1663 graviert, dazu folgender Text:

Gott dem Allerhochsten: Und der Heyl. Jungfr. Und Martyrin BARBARAE zu Ehren. Wie auch zur Seel. Gedaechtnis Herrn Gottfried Wilheim Viertelmeisters: Margaretha und Rosinae dessen Ehel. Hausfraue Halt der Ernehste und Wohlvornehme Herr Kilian Langenberger Domkapitulischer Obleyschreiber und des Raths alhier mit Margaretha seiner jetzigen Und zu guten angedenken seiner Vorigen Hausfrauen Anna Maria geborene Winheimerin seeliger und Kindern diesen Altar machen lassen.

Der rechte Seitenaltar zeigt den Heiligen Sebastian, die gotische Inschrift ist datiert auf das Jahr 1663:
Zu Sonderbahren Ehren Gottes und des Hlg. SEBASTIANI. Wie auch zu gedechtnus H:Georg Schnecken und dessen Bruder H. Heinr. Schnecken Stiffts NeuMünsters Presentz: und Benheimer Virtelmeisters zum Anged. s.j. Haußfrauen zu ahngedencken seiner vorigen hausfrawen Anna Maria geborene Schnecken d. Altar hat machen lassen Anno.

1663 Geweiht ist die Kirche in Oberwittighausen dem Heiligen Ägidius, einer der 14 Nothelfer und im Mittelalter ein populärer Heiliger. Ägidius war ein griechischer Kaufmann, der im 7. Jahrhundert lebte und als Einsiedler und Abt in Frankreich wirkte. Traditionell wird an seinem Festtag, dem 1. September, das Patrozinium gefeiert. In Oberwittighausen heißt dieser Tag „Ägidi“.

Tipp: Ausführlichere Informationen zu den Kirchen erhalten Sie im "Wittighäuser Heft 10: Kirchen". Hier online anschauen oder Druckversion bestellen.